Die Welt geht unter - Peace of mind (Seelenfrieden)

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Die Welt geht unter

Zum Nachdenken
Vor vielen Jahrtausenden war der spätere Buddha in einem seiner früheren Leben als Löwe wiedergeboren worden. Er wohnte in einem Walde an der Küste des Weltmeeres. Einige Meilen landeinwärts wiegte sich ein Palmenwald im Seewind. Dort wohnte unter einer Dattelpalme ein kleiner Hase. Der machte sich viele Sorgen. Eines Tages hatte er Klee gegessen und war zu seiner Dattelpalme zurückgekehrt, um unter ihr sein Mittagsschläfchen zu halten. Aber als er so da lag, kam er wie so oft ins Grübeln und malte sich allerlei Gefahren und Ängste aus. Schließlich kam er nicht mehr von dem Gedanken los: »Was soll ich nur machen, wenn die Welt untergeht?«

Gerade als er das dachte, fiel eine Dattel mit einem Plumps ins Gras. Für den kleinen Hasen aber, der sich gerade in Gedanken einen Weltuntergang ausmalte, klang dieser Plumps wie Donnergrollen. Wie vom Blitz getroffen, fuhr er hoch und rannte in panischer Angst dem Meere zu. Sein Nachbarhase sah ihn und wunderte sich: »Was rennst du so?« Der kleine Hase raste weiter und rief: »Frag nicht, lauf.« Der Nachbar hoppelte hinterher und wollte wissen: »Warum denn?« - Da drehte sich der kleine Hase kurz um und sprach: »Hier geht die Welt unter.« Da rannte ihm der Nachbarhase nach.

Der dritte Hase, aufmerksam geworden, rannte hinterher: »Hier geht die Welt unter!« Die Tiere des Palmenwaldes und der Grashügel und der Ebene schlössen sich an, als sie da immer mehr Tiere in panischer Angst rennen sahen. So rasten bald Tausende von Tieren: Gazellen, Wildschweine, Hirsche, Büffel, Nashörner, Tiger, Elefanten donnernd über die Ebene: »Hier geht die Welt unter; hier geht die Welt unter!« Der Löwe im Küstenwald hörte von fern das Donnern der flüchtenden Herden. Er trat aus dem Walde heraus. Da sah er in einer Staubwolke das Tierheer heranrasen. Und er sah sofort, dass sie alle in kopfloser Panik waren. Da brüllte er so laut, dass die Erde erzitterte. Das Brüllen war so ungeheuer, dass die Tiere davor noch mehr Angst hatten als vor dem Gedanken an den Weltuntergang, an den sie sich fast schon ein wenig gewöhnt hatten. Und so kam die riesige Schar der Flüchtenden atemlos zum Stehen. Der Löwe fragte die Elefanten: »Was flieht ihr?«

Die Elefanten antworteten: »Die Welt geht unter.« - »Woher wisst ihr das?« - »Die Büffel haben es gesagt.« Da fragte der Löwe die Büffel: »Woher wisst ihr das?« - »Die Tiger haben es gesagt.« Doch die Tiger verwiesen den Löwen an das Nashorn und das Nashorn an die Hirsche und die Hirsche an das Wildschwein und das Wildschwein an die Gazellen und die Gazellen an die großen Hasen, die großen Hasen an die kleinen Hasen - bis schließlich der kleine Hase zitternd vor dem gewaltigen Löwen stand. Der fragte ihn: »Und woher weißt du es?« - Der Kleine antwortete, wie er auf der Flucht schon tausendmal geantwortet hatte: »Hier geht die Welt unter.« Der Löwe fragte ruhig: »Hast du es gesehen?« - »Ja - das heißt - äh -, gesehen eigentlich nicht, aber gehört.« Der Löwe fragte väterlich: »Was hast du denn gehört?« »Einen fürchterlichen Plumps.« »Wo denn?« »Unter dem Dattelbaum, als ich mein Mittagsschläfchen halten wollte.« Da sprach der Löwe zu dem kleinen Hasen: »Woher weißt du denn, dass der Plumps unter dem Dattelbaum ein Weltuntergang war?« Da sagte der kleine Hase: »Ja, das hab' ich mir eben gedacht, weil ich gerade so am Denken war.« Da sprach der Löwe: »Komm, kleiner Hase, spring auf meinen Rücken, kuschle dich in meine Mähne, halte dich gut fest, wir gehen zusammen zu deiner Dattelpalme und sehen nach.«

Der Kleine, beruhigt durch die sichere Art des majestätischen Tieres, sprang auf, kuschelte sich an die Mähne und hielt sich fest. Da war es weich und warm. Der Löwe sprach zu den anderen Tieren: »Wartet hier ein wenig, ich werde nachsehen.« Die anderen hatten inzwischen schon etwas mehr Luft geholt, und sie sahen: Der Himmel war noch oben, die Erde war noch unten, und weit und breit war nichts zu hören. So wich auch von ihnen schon einiges von der großen Angst, nur eine Ungewissheit blieb noch.

Der Löwe schnellte in gewaltigen Sätzen davon, und bald war er mit dem kleinen Hasen bei der Dattelpalme angekommen. Das Häschen sprang ab. Da fiel gerade aus der Dattelpalme eine Dattel zur Erde. Der Löwe fragte den Kleinen: »War es so ein Plumps?« - Der Kleine nickte etwas verlegen: »Ja, das kann sein.« Der Löwe fragte: »Wo warst du denn, als es so geplumpst hat?« - Der Kleine zeigte auf die Stelle. Da ging der Löwe hin, der kleine Hase hinter ihm her, und siehe, da lag eine Dattel im Gras. Da sprach der Löwe zu dem kleinen Hasen: »Siehst du, es war eine Dattel und kein Weltuntergang.« Er sagte es ohne Spott und ohne Tadel; denn der Starke versteht, wie leicht der Schwache Angst hat - irgendwann ist er selber auch schon ein Schwacher gewesen, und vielleicht ist er es in manchen Dingen auch heute noch.

Nun ließ der Löwe den kleinen Hasen wieder aufsitzen, und zurück ging der Ritt zu den Tieren. Der Löwe berichtete, was sie gesehen hatten. Die Tiere atmeten auf und dankten dem Löwen; denn ohne ihn wären sie in ihrer Panik ins Meer gestürzt. Sie beschlossen, künftig nicht einfach kopflos nach dem Hörensagen zu gehen, sondern selber nachzuprüfen.


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